7.11.2020
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Hallo zusammen!

Mein Name ist Young. Eine Migrantin aus Südkorea. Eine Aktivistin, die versucht, gegen jegliche sexistische, rassistische und faschistische Gewalt zu kämpfen. Und eine derjenigen auf der Welt, die selbst Schwangerschaftsabbruch erfahren hat.

Ich möchte heute zwei Geschichten aus meinem Heimatland erzählen. Beide Geschichten sind zwar alt, aber immer noch lebendig und aktuell. Die erste ist über die sogenannten “Trostfrauen” und die zweite ist über das südkoreanische Abtreibungsverbot.

“Trostfrauen”. Dieser sehr merkwürdige Name war ein gegebener Name für die Sexsklavinnen von der kaiserlichen japanischen Armee während des Asien-Pazifik Krieges, also in der Zeit des 2. Weltkrieges. Ungefähr 200.000 Frauen und Mädchen aus Korea, Taiwan, Indonesien, Malaysia, Philippinen und China wurden verschleppt und gezwungen, mit ihren Körpern die Kriegsmaschine der Kolonialherrschaft zu ‘trösten’. Die Frauen und Mädchen wurden sexuell gefoltert, ermordet, teilweise schwanger. Manche konnten wieder nach Hause zurück, manche nicht. Diejenigen, die nach einer langen Zeit der Sklaverei endlich befreit wurden und nach Hause zurückkamen, mussten unter patriarchaler moralischer Stigmatisierung leiden und wurden wieder zum Schweigen gezwungen.

Wenige überlebende Frauen haben sehr mutig angefangen, über ihre eigenen Erfahrungen zu berichten und die vernachlässigte Geschichte ans Licht zu bringen. Aber sowohl ‘der Kriegsverbrecher’ Japan als auch ‘das Opfer des Kolonialismus’ Korea haben die Stimmen der überlebenden Frauen ignoriert und sie sogar als Lügner bezeichnet.

Und nun? Wir haben seit September in Berlin auch eine Friedensstatue, die den endlosen Kampf der Überlebenden symbolisiert. Allerdings will die rechtsnationalistische japanische Regierung die Friedensstatue nicht in Berlin haben, obwohl Berlin keine japanische Stadt ist. Absurd! Japans Außenminister hat daher mit dem deutschen Außenminister telefoniert, danach hat das Bezirksamt Berlin-Mitte sofort die kleine deutsche Initiative Korea Verband gedrängt, in einer Woche die Statue abzubauen. Und die südkoreanische Regierung hat ihren Kopf wieder mal weggedreht.

Hier sehen wir den ewig wiederholten Mechanismus: Die legitimierten Macho-Fascho-Unterdrücker aller Länder und aller Zeitalter vereinigen sich sowieso. Dagegen, während des Krieges wurden die Körper der Frauen als Kriegswaffen für die innere Zerstörung des kolonialisierten Volkes ausgenutzt. Nach dem Krieg wurden die Körper der Frauen weiter als politisches und ökonomisches Instrument für das hegemoniale Machtspielchen von dreckigen alten Säcken genutzt.

“Frauenkörper als Schlachtfeld” war nicht ein damaliges Problem, sondern ist immer noch ein andauerndes Problem. Und die “Souveränität über den eigenen Körper” ist nicht ein Thema von einzelnen Fällen, sondern das Thema von allen und überall!

Jetzt die zweite Geschichte von heute: “Abtreibungsverbot”. Wie der patriarchale Eingriff an weiblichen Körpern in Polen, gibt es in Südkorea ein über 60 Jahre altes patriarchales Abtreibungsgesetz. Das Gesetz hatte je nach der politischen und ökonomischen Strategie der Regierungen verschiedene Facetten. In den 50ern wurde die Abtreibung mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. So ähnlich ist es in El Salvador, dort sogar mit bis zu 50 Jahren Haft. Und wir leben im 21. Jahrhundert. Zurück zu Südkorea in den 60ern. Wegen Babyboom nach dem Krieg wurde Abtreibung inoffiziell gefördert.

In den 80ern, in der Zeit, in der ich geboren bin, war die Ultraschall-Untersuchung sehr verbreitet, dadurch war die geschlechtsselektive Abtreibung in der Praxis üblich. Anders gesagt, Abtreibung an sich war illegal, aber Abtreibung an Embryos mit XX-Chromosomen war ok. Dies erfahren wir immer noch oft aus Meldungen aus Indien. Ab 2000 wurde das Abtreibungsgesetz in Südkorea wieder verschärft, weil die Bevölkerungszahl extrem gesunken war und die Folgen ökonomisch schädlich wurden. Mal so mal so, hat der Staat den weiblichen Körper kontrolliert und instrumentalisiert, in jeglicher willkürlichen Art und Weise den Körper mystifiziert und stigmatisiert.

Aber! Nach 60-jährigen Kampf von südkoreanischen Feminist*innen wurde das jetzige Abtreibungsgesetz letztes Jahr vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft und muss bis Ende dieses Jahres revidiert oder abgeschafft werden. Die meisten Liberalen schlagen gerade ein etwas liberalisiertes Abtreibungsverbot vor. Die Konservativen drehen nach wie vor durch. Nur die Feminist*innen fordern eine komplette Abschaffung dieses Gesetztes und fordern weiter einen grundsätzlichen Perspektivwechsel. Weil, ansonsten, bleibt der weibliche Körper weiter ein Schlachtfeld für jegliche Macho-Fascho-Politik und die Frage der Souveränität über den eigenen Körper wird nie im Mittelpunkt stehen!

Ich wollte mit diesen beiden Geschichten aus der Ferne euch sagen, dass die hegemoniale Geschichte sich leider wiederholt, aber nicht so ganz, solange wir intervenieren. Die hegemoniale Eindringung in die Souveränität aller Frauen und queerer Menschen verbreitet sich leider immer noch und die neue Entscheidung in Polen bringt mich natürlich zum Kotzen. Aber deswegen! solidarisieren wir uns, kämpfen wir zusammen.

Liebe Polinnen und liebe Irinnen, alle Frauen und queere Menschen, und alle solidarisierten Lebewesen. Bleibt gesund und seid weiter mutig! Wir haben gemeinsam viel zu tun. Danke.

07.11.2020, Young aus Berlin

Foto: Katarzyna Kalin