Anne Wizorek | Rede | 23.3.2018, Berlin | Schwarzer Freitag | Czarny Piątek

Eins meiner liebsten Demo-Plakate trägt den Spruch: „Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch gegen diesen Scheiß protestieren muss“.

It´s funny cos it´s true.

In Zeiten wie diesen, wo rechtsnationalistische Parteien und das dazugehörige menschenfeindliche Denken wie Handeln weltweit wieder an erschreckender Normalität gewonnen haben, bringt es dieses Demo-Plakat umso mehr auf den Punkt.

Wie eine Gesellschaft mit Frauenrechten, Rechten von queeren Menschen, Rechten von religiösen Minderheiten etc. umgeht, ist schließlich auch immer ein Merkmal dafür, wie diese Gesellschaft  insgesamt verfasst ist.

Es ist außerdem naiv und gefährlich zu glauben, dass uns hier in Deutschland die Entwicklungen wie sie in Polen geschehen, nicht betreffen würden – nur weil so woanders stattfinden.

Dabei geht es einerseits darum, selbstverständlich solidarisch mit den Menschen zu sein, die sich jeden Tag dagegen wehren, dass die Demokratie in Polen weiter stirbt, die sich dafür einsetzen, dass eine freie und vielfältige Gesellschaft in Polen möglich ist.

Auf der anderen Seite zeigen aber gerade auch die radikalen Abtreibungsgegner_innen sehr deutlich, dass sie international vernetzt sind und diese Vernetzung immer weitreichender wird. Das betrifft uns schon längst alle – egal in welchem Land wir gerade zuhause sind, ob wir Kinder haben können oder nicht, ob wir welche wollen oder nicht.

Deswegen müssen wir auch gemeinsam dagegen stehen, wenn unsere Rechte auf körperliche Selbstbestimmung bedroht sind und beschnitten werden.

Besonders als Feminist_innen brauchen wir ein grundlegendes Verständnis dafür und Wissen darüber, dass die meisten Errungenschaften in Sachen Geschlechtergerechtigkeit noch nicht lange existieren und es wiederum lange Kämpfe brauchte, um sie überhaupt zu erreichen. Beim Rückblick in die Geschichte sehen wir außerdem, dass gesellschaftlicher Wandel noch nie daraus entstand, dass einfach nett danach gefragt wurde.

Unsere Welt ist schließlich nicht wie im Film, wi sich die Bedrohung aufbaut und dann aber, gerade noch rechzeitig, ein Superheld vorbeigeflogen kommt, um uns alle vor einem einzelnen Bösewicht zu retten.

Im echten Leben müssen wir selbst diese Held_innen sein.
Gemeinsam.
Jeden Tag.
Und auf jede Art und Weise, die uns möglich ist.

Der Bösewicht zeigt sich außerdem nicht nur in einer einzelnen Person, sondern auch in Strukturen und in menschenfeindlichem Denken wie Handeln.

Dafür einzustehen, dass alle Menschen auch als Menschen wahrgenommen werden und uns allen grundlegende Rechte zustehen, ist immer noch richtig und notwendig. Dabei gilt es Diskriminierungsformen wie Sexismus, Rassismus, jegliche Feindlichkeit gegen LGBTQI*, Klassismus, Behindertenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit etc. und all ihren Vermischungsformen die Stirn zu bieten.

Und auch wenn unsere Kämpfe dabei nicht immer dieselben sind, so eint uns schließlich der Wunsch, sie nicht mehr führen zu müssen. Den Mund halten, nichts tun und einfach weitermachen wie bisher, in der Annahme „wird schon nicht so schlimm werden“, das ist jedenfalls keine Option mehr – denn sie es ohnehin noch nie gewesen.

Lasst euch also nicht einreden, ihr wärt allein. Wenn ihr es nicht schon getan habt: sucht euch Gleichgesinnte und bildet gemeinsam Banden!

Wir sind viele und wir müssen zusammen den Mut und die Zuversicht beweisen, dass diese Gesellschaft, unsere Welt eine bessere werden kann. Weil sie besser werden muss. Nicht zuletzt anhand der Meilensteine die in feministischen Kämpfen errungen wurden, wissen wir, dass das absolut möglich ist.

Sprecht über die Arbeit die Aktivist_innen wie z.B. von Ciocia Basia leisten und werdet auch selbst aktiv. Wenn ihr es könnt, spendet Geld oder fordert Andere zu Spenden auf. Sprecht immer wieder mit den Menschen in eurem Umfeld darüber, was auf dem Spiel steht, wenn Selbstbestimmungsrechte beschnitten werden – und was das auch mit ihnen zu tun hat.

Macht immer wieder deutlich, dass es hierbei um uns alle geht!

Vergesst dabei niemals: Die Wut über Ungerechtigkeiten ist unser Treibstoff – und Solidarität ist unsere stärkste Waffe!


Bio:
Anne Wizorek ist selbstständige Beraterin für digitale Medien, Autorin und feministische Aktivistin. Sie lebt im Internet, in Berlin und ist Gründerin des Grimme Online Award nominierten Gemeinschaftsblogs kleinerdrei.org. Der von ihr initiierte Hashtag #aufschrei stieß im Jahr 2013 eine Debatte zu Alltagssexismus an und wurde dafür als erster Hashtag mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In ihrem Buch „Weil ein #aufschrei nicht reicht – Für einen Feminismus von heute“ (Fischer Verlag) entwirft sie eine moderne feministische Agenda. Unter dem Schlagwort #ausnahmslos veröffentlichte sie im Januar 2016 mit 21 anderen Aktivistinnen ein Statement gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Die Aktion wurde mit dem Clara-Zetkin-Preis für politische Intervention ausgezeichnet. Als Mitglied der Sachverständigenkommission arbeitete Anne Wizorek am 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung mit.

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